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02.04.2009

Eine abgesagte Diplomreise und ihre Folgen

Wie immer im Leben bedarf es eines Zufalls. Als sich die Studienkollegen auf kein gemeinsames Ziel für die Diplomreise einigen konnten, wurde auf diese verzichtet. Das passte mir gar nicht und so entschloss ich mich kurzerhand für einen individuellen Ausflug als Studienpraktikant im Ausland.

Studienpraktikant im jugoslawischen Staatsbetrieb

Die Studentenaustauschorganisation IAESTE bot mir drei Stellen an: in Kanada, Grossbritannien und Jugoslawien. Da die Reise selber zu finanzieren war, entschloss ich mich 1970 für letztere. Ich kam also nach Smederevska Palanka in einen staatlichen Industriekonzern, welcher Eisenbahnwagen, Brücken, Silos, Industriehallen usw. herstellte. Mit erheblichen Sprachproblemen konfrontiert klammerte ich mich damals an jeden Strohhalm, denn ein Dolmetscher war nur während der Arbeitszeit greifbar. Aber es gibt ja noch die Freizeit. Also suchte und fand ich eine nette kleine Serbin, welche in der Schule etwas deutsch gelernt hatte. Ein Jahr später, 1971, ich hatte in der Zwischenzeit das Studium abgeschlossen, kam Milka zu mir in die Schweiz, wo wir heirateten und eine Familie gründeten. Wir wohnten die ganze Zeit in Brugg im Aargau und dachten eigentlich nie an Auswanderung.

Zu alt, zu teuer, überqualifiziert

Als ich im Januar 1993 rezessionsbedingt meinen Job verlor, begann ein erstes Erwachen und Umdenken. Ich war seit Beginn meiner beruflichen Laufbahn immer in der Softwareentwicklung für technische Anwendungen tätig. Anfangs entwickelte ich Realtimesoftware für numerische Steuerungen, dann die Telexvermittlungszentrale für Swissair und Austrian Airlines, dann die Taxizentrale Zürich und auch ein Produktionsplanungssystem für KMUs kam dazu - also alles Vorzeigeprojekte. Aber ich blieb elf Monate ohne Job. Der Tenor aller Absagen auf meine 120 Bewerbungen war durchwegs: zu alt (46 Jahre), zu teuer und überqualifiziert. Ab 1994 fand ich dann ganz zufällig Unterschlupf in einer Maschinenfabrik, welche Blechbearbeitungsmaschinen für Isolationsbetriebe herstellte. Dass grosse finanzielle Abtriche mit dieser Lebensphase einhergingen und gleichzeitig der Sohn am Berklee College of Music in Boston, und die Tochter an der Humboldt Universität in Berlin studierten war für den Kontostand auch nicht wirklich förderlich. Im neuen Job stieg auch die Stressbelastung stetig an, zumal ich als einziger Akademiker in der Firma immer mehr Aufgaben zugeteilt bekam.

Umzug ins “Armenhaus Europas”

Da begannen wir langsam darüber nachzudenken, wie unsere Zukunft denn aussehen könnte. So weitermachen und mit 65 - sofern das unter solchen Bedingungen überhaupt zu erleben war - von AHV und Pension den Lebensabend so recht und schlecht bestreiten, in einem Hochpreisland? Milka zögerte lange: Aber was willst Du denn im Armenhaus Europas, einem Land ohne Perspektiven, gezeichnet von Wirtschaftsembargo und Krieg? Man muss dazu sagen, dass sich Milka mittlerweile in der Schweiz so gut eingelebt hatte, dass es für sie schwer sein würde, den erworbenen Freundeskreis aufzugeben. Ich meinerseits war aber von der Gastfreundschaft der serbischen Bevölkerung, die ich in etlichen Ferienbesuchen erfahren durfte, sehr angetan, und egozentrisch gedacht, schwebte mir ein Leben ohne Stress vor, für das ich etliche Abstriche zu machen bereit war.

Wie weit reichen AHV und Pensionskasse?

Der Zufall hatte auch diesmal seine Hand im Spiel: Zufällig fanden wir 2001 ein wunderschönes Haus, man kann schon fast von einer Villa sprechen, das in Smederevska Palanka zum Kauf angeboten war. Nun begann die Rechnerei: Kann man am Zielort von der AHV allein leben? Genügen die ausbezahlten Pensionskassengelder für Investition und Überbrückung? Milka war skeptisch und ich optimistisch, denn als Amateurfunker hatte ich schon immer regen Kontakt zu anderen Schweizerkollegen, welche im Ausland lebten, und holte mir stets wichtige Informationen und Erfahrungsberichte von überall her.



Unser neues “Häuschen” in Serbien (Bild: Eduard Meister)

Milka war zwar bereit, das Abenteuer mitzumachen, glaubte aber im Innersten nicht daran, dass ich es realisieren könnte, weil mir ja für den Hauskauf das Kapital fehlte, da die Pensionskasse ja erst beim Abmelden aus der Schweiz ausbezahlt würde. Das war eine Zwickmühle: ohne das Haus kein Auswandern und ohne Auswandern kein Geld und somit kein Haus. Aber wie immer im Leben findet sich eine Lösung. Meines Bruders Schwägerin, eine alleinstehende Lehrerin und Weltenbummlerin ohne Vorurteile, hat sich spontan bereit erklärt, das Objekt zu besichtigen und mir allenfalls den Kaufpreis vorzustrecken. Wow! Wir flogen zu dritt nach Belgrad, wo uns der Hausverkäufer mit seinem Wagen abholte. Die Lehrerin war restlos überzeugt und vom Preis-Leistungsverhältnis überwältigt. Ein Wohnhaus dieser Schönheit auf 1823 Quadratmeter Land für weniger als 100'000 Franken, da müsst ihr zugreifen! Was wir auch taten. Dank den Beziehungen des Verkäufers und dem nötigen Kleingeld für die Anzahlung war der Kauf innert zwei Tagen perfekt, und wir reisten als stolze Hausbesitzer nach Hause. Wir erlaubten dem Verkäufer das Haus noch bis Ende 2002 zu bewohnen und planten die Auswanderung auf Ende Mai 2003. Dies teilte ich dem Arbeitgeber auch sofort mit, damit er anderthalb Jahre Zeit hatte, einen Nachfolger zu finden. 05.04.2009

Anders als man denkt: Serbien - СРБИJА

Bevor ich mit aktuellen Berichten aus Serbien weiterfahre, möchte ich meine neue Heimat etwas vorstellen. Es herrscht der weitverbreitete Glaube, Serbien sei viel weiter südlich als es tatsächlich ist. Wussten Sie,

 -  dass die Südspitze der Schweiz bei Chiasso südlicher ist als der nördlichste Teil Serbiens bei Subotica an der ungarischen Grenze?
 -  dass Belgrad nörlicher liegt als Bologna in Norditalien?


Belgrad stellt man sich meist viel südlicher vor, als es ist.

Es ist in der Tat so. Unsere Wohngemeinde Smederevska Palanka liegt ziemlich genau auf der Höhe von Bologna und trotzdem sind unsere Klimata nicht zu vergleichen. Die grosse Landmasse um uns herum (Luftlinie sind es 400km zur Adria, 600km zum Schwarzen Meer und zum Ägäischen Meer) beschert uns ein Kontinentalklima, das von tiefer Luftfeuchtigkeit, hohen Sommer- und tiefen Wintertemperaturen geprägt ist. Die Spitzentemperatur 2008 betrug 46,7 °C im Sommer und -18°C im Winter. Die Klimaveränderung ist auch hier deutlich zu spüren, waren doch vor 10 Jahren noch Tiefsttemperaturen bis -30°C und Höchsttemperaturen von “bloss” 40°C der Normalfall.

Ganz schön flach

Smedervska Palanka liegt nur 25km südlich der Donau, welche eigentlich die ungarische Tiefebene begrenzt. Daher ist es auch hier noch relativ flach was einen grandiosen Weitblick erlaubt. Wir sind auf 120 müM und die nächsten Erhebungen von bis ca. 600 müM liegen 10 bis 30km entfernt. Grossen unbebaute Landflächen prägen das Bild. Fast die Hälfte liegt brach (ungenutzte Graslandschaften, Wald und Buschlandschaften).

Land für ein Kaffee pro Quadratmeter

Eine grosse Veränderung ist vorläufig kaum zu erwarten. Die Landwirtschaft besteht zu über 90% aus Kleinbauern, welche nur für die Region produzieren. Die Produkte werden in den Frischmärkten täglich an die Bevölkerung verkauft (auch sonntags) und es wird nur produziert, was abgesetzt werden kann. An Export denkt hier niemand. Zonenpläne gibt es hier kaum, also könnte man doch brach liegendes Land als Bauland verkaufen. Die fehlende Infrastruktur (keine Zufahrtsstrassen, keine Wasserversorgung, keine Elektrizität) verhindert, dass überhaupt eine Nachfrage entsteht, obwohl der Quadratmeter Land für 2 Euro zu haben ist. Warum kommen keine ausländischen Investoren, welche auch die infrastrukturelle Erschliessung finanzieren könnten? Weil es hier eine simple Gesetzgebung gibt, die viel stärker greift als jede Lex, die den Ausverkauf der Heimat beispielsweise in der Schweiz einzudämmen versucht: Land kaufen kann jeder, kein Problem, aber Aufenthaltsbewilligung bekommt nur, wer mit einem oder einer serbischen Staatsbürger/-bürgerin verheiratet ist. Es ist ja wohl klar, dass kein reicher Ausländer das lustig findet, als Tourist nach jeweils drei Monaten das Land verlassen und wieder neu einreisen zu müssen. Was auch streng kontrolliert wird, es herscht Passpflicht und jede Ein- und Ausreise wird minuziös gestempelt.

Viel Herzlichkeit und wenig Stress

Es ist bestimmt der Lebensweise zuzuschreiben, dass - obwohl arm, oder vielleicht gerade deswegen - ein extremes Mass an Humor vorhanden ist. Die Veräppelung der andern gehört zur normalen Umgangsform. Was sofort auffällt, ist die Herzlichkeit und Fröhlichkeit der Leute. Wenn ich in der Schweiz durch die Strasse gehe, starre ich in ernste, gestresste Gesichter ohne Regung, ganz anders hier. Fröhlich lachende Leute, sich für den andern Zeit nehmend - wenn ich dich schon mal treffe dann unterhalte ich mich mit dir - alles andere kann warten! Ein theoretisches Beispiel, welches in irgend einer ähnlichen Form täglich vorkommen kann: A ruft B an und verabredet sich mit ihm. A verlässt das Haus und wird vom Nachbarn angesprochen: Hallo Nachbar, du hast doch eine lange Leiter, kann ich die mal ausborgen ich müsste da mal… Logisch, A kehrt ins Haus zurück und holt die Leiter und begibt sich weiter auf den Weg. Dabei begegnet er einem Mann mit einer Autopanne dessen Batterie leer ist. A hält selbstverständlich an, holt die Überbrückungskabel aus dem Kofferraum und hilft die Karre wieder flott zu kriegen. Danach setzt er seinen Weg fort, trifft bei B mit fast einer Stunde Verspätung ein. Es bedarf keiner Erklärung, denn B weiss, dass da sicher etwas dazwischen gekommen ist, und? Dieses Umdenken bereitet vielen Einwanderern Mühe und das Verkehrteste was man tun kann, ist es, das ändern zu wollen.

07.04.2009

Vom Mieter zum Bauherr

Frühling 2003. Die Packerei für den Umzug ins Ausland ist komplex, da nebenher eine Liste für den Zoll erstellt werden muss.

Umzugsliste auf serbisch

Obschon viel Kleinkram mit einer Sammelbezeichnung wie z.B. “Küchenutensilien” nur eine Zeile beansprucht, kommen doch letztlich 255 Positionen zusammen, die ins Serbische übersetzt und einen ungefähren Warenwert beinhalten müssen.

Alles stapeln wir in der Tiefgarage, wo uns zwei Abstellplätze zur Verfügung stehen, die dann auch bis zur Decke vollständig aufgefüllt werden, denn die Mietwohnung muss ja leer und gereinigt abgegeben werden. Alles zusammen füllt am Schluss einen LWK plus Anhänger, der nun eine Woche unterwegs sein würde - 1500 km über vier Staatsgrenzen. Wir können glücklicherweise bei einem befreundeten Ehepaar eine Woche lang gastieren und fahren dann mit dem Auto der “Züglete” hinterher. Die Abmeldung in der Schweiz hatten wir bereits auf Ende März vollzogen, so dass der ganze Papierkrieg bis zum Umzug bereits erledigt war. Die Verabschiedung von Freunden und Verwandten löst doch Wehmut aus, und das Gefühl begleitet uns, gemischt mit einer Vorfreude auf unserer Fahrt in die neue Heimat.

Altersguillotine für Autos

Zu Beginn können wir noch problemlos mit den Schweizerkennzeichen herumfahren, aber den Wagen in Serbien einlösen geht nicht, da für die Einfuhr von Autos eine Altersbeschränkung besteht (max. 6 Jahre) und unser Wagen war bereits 13! Wir hören auch von Amnestieaktionen, bei welchen kurzfristig die Grenzen für ältere Wagen geöffnet werden, aber wann und ob das wieder zutrifft, wissen wir nicht. Wie schon oft kommt auch diesmal der Zufall zu Hilfe: Die ehemalige Firma hat keinen Nachfolger für mich gefunden und steckt in einer Notlage, die meiner Hilfe bedarf. Ich fliege mit meiner Frau in die Schweiz, wo wir beiläufig einen gebrauchten Mittelklassewagen finden, den wir auch normal importieren können. Damit ist das Problem vorerst zur Hälfte gelöst, wir sind wieder mobil. Aber der alte Wagen steht noch in der Garage, mittlerweile ohne Schilder und ohne Hoffnung, je wieder benutzt werden zu können. Die Hoffnung stirbt zuletzt, und so erfahren wir eines Tages, dass Flüchtlinge aus dem Kosovo bis zu 16 Jahre alte Wagen einführen dürfen. Jetzt heisst es handeln. Schnell finden wir eine Frau, die den Flüchtlingsstatus besitzt und auch bereit ist, unser Spiel mitzuspielen. Ihr wird der Wagen verkauft, sie löst ihn ein (ohne dass jemand fragte woher der Wagen plötzlich kam), und sie stellt eine Vollmacht aus, dass wir ihren Wagen fahren dürfen. Ein Jahr später kaufen wir den Wagen zurück und lösten ihn unter unserem Namen ein - gewusst wie!

Parkieren oder frieren?

Das von uns gekaufte Haus besitzt anfänglich noch keine Zentralheizung und auch keine Garage. Das erste was es zu realisieren gibt, ist eine Garage, die wir wohlweislich von Anfang an für zwei Wagen auslegen. Obendrauf plane ich ein Büro für mich und meine diversen Hobbies. Glücklicherweise steht mir der Hausverkäufer zur Verfügung, der ja schon beim Bau des Wohnhauses ein Auge für Ästhetik bewiesen hatte, so dass dieser Garagenbau im Einklang mit dem Wohnhaus ausfällt.



Gelungen, diese Garage mit Hobbyraum, nicht?! (Bild: Eduard Meister)

Nach diesem erfreulichen ersten Bauprojekt wird die Zentralheizung geplant, nachdem wir den ersten Winter mit einem einzigen Schwedenofen im Wohnzimmer überlebt haben. Da aber das Haus nicht unterkellert ist und die Heizung ja irgendwo untergebracht werden muss, liegt es auf der Hand, dass ein Hilfsgebäude hinter dem Wohnhaus gebaut werden muss.

09.04.2009

Das Einrichten nimmt kein Ende

Nachdem die Garage fertiggestellt ist, steht im Sommer 2004 das Hilfsgebäude auf dem Programm. Dazu messe ich das Land aus, zeichne einen Plan, berechne das benötigte Material und mache mich auf die Suche nach einem Universalhandwerker (Maurer, Eisenleger, Zimmermann, Dachdecker) und hole Offerten ein.

Bauvorschriften? Privatsache!

Wie das Ganze auszusehen hat, kann ich als Architekt und Bauherr selber bestimmen, denn - anders als in Städten - kümmert sich hier auf dem Land draussen kaum jemand um Bauvorschriften, Bewilligungen oder Einsprachemöglichkeiten, streng nach dem Motto: Das Land gehört mir und was ich damit mache, geht niemanden was an. Im Zweckgebäude müssen die Heizung, eine Waschküche, ein Arbeitszimmer zum Bügeln und Nähen, eine Speisekammer und ein Raum für die Gartengeräte Platz finden. So kommen etwa 80 Quadratmeter zusammen.

Serbisch lernen am Mann

Wir beginnen mit dem Bau im Juli und im Oktober ist das Gebäude bis auf die Malerarbeiten fertig. Im September lassen wir parallel dazu die Heizung einbauen (für alle drei Gebäude, versteht sich). Dazu gehört ein zentraler Wasserboiler, welcher im Sommer mit Sonnenkollektoren betrieben werden kann. Es ist kaum zu glauben, wie viele serbische Fachausdrücke aus dem Bauwesen ich in dieser Zeit lerne!



Das neue Zweckgebäude samt Kollektor (Bild: Eduard Meister)

Die biologische Hausglocke

Ein Bewohner des Dorfes, den wir in der Schweiz schon kennen gelernt hatten und der auch mehrheitlich noch dort wohnt, besitzt eine deutsche Schäferhündin. Als sie 2003 zwei Junge warf, behielt mein Bekannter den Rüden für sich. Nun kam aber die Zeit, wo der Rüde von der Mutter getrennt werden musste und so kam der Kleine 2004 nach Serbien. Die Mutter unseres Bekannten musste den jungen Hund die meiste Zeit betreuen, war aber mit diesem immer kräftiger werdenden Tier bald einmal überfordert. Mir gefiel dieser Schäferhund so gut, dass ich den Bekannten überreden konnte, ihn mir zu verkaufen. Das war die Geburtsstunde unserer biologischen Hausglocke, die man zwar füttern und spazieren führen muss, aber mehr Freude bereitet als die normale Hausglocke, welche seither kaum mehr benützt wird. Also gehörte zur Einrichtung jetzt auch noch ein Hundezwinger mit Hundehaus. Es nahm kein Ende…



Wenn Herrchen schon drei beheizte Häuser hat, dann braucht der Hund wenigstens eine Hütte (Bild: Eduard Meister).

11.04.2009

Mika Buða, das Original

Mika Buða (Mika Budscha, so spricht man das aus) heisst in Wirklichkeit Slobodan Agatonoviæ, aber das weiss hier praktisch niemand. Hier ist jeder nur bei seinem Spitznamen bekannt, das erschwert sehr oft die Suche nach Leuten.

Klassenfreie Quartierkneipe

Dieser Mika ist der Wirt der Quartierbeiz und wie gesagt ein Original. Hilfsbereit und freundlich zu allen und wie hat schon Peter Alexander in seiner kleinen Kneipe besungen: “…beim Wirt hier hat jeder Kredit”. Das macht seine Existenz auch nicht gerade leichter, aber man hört ihn deswegen nie klagen. Da er nebenbei noch ein paar Hektaren Land bearbeitet - er besitzt Schafe und Schweine - kann es halt mal vorkommen, dass ihn seine Frau vertritt, wenn er dringend auf dem Feld zu tun hat. Das sieht man dem Parkplatz von weitem an. Der ist dann fast leer, denn die Leute kommen wegen dem Original. Nur wenn er da ist, geht’s lustig zu. Das halbe Dorf kommt da zusammen, d.h. die Männer, denn in dieser Gesellschaft ist es heute noch üblich, dass die Frauen zu Hause bleiben. Aber dafür gibt’s keine Klassenunterschiede: Der Bauer, der Postbote wie auch der Direktor des Elektrizitätsversorgers sitzen mit dem Spitalarzt am selben Tisch und feiern. Es gibt immer was zu feiern. Ausserdem ist es Sitte, dass eine Runde als Einstand bezahlt, wer neu am Tisch Platz nimmt. Drückeberger, die sich an einen eigenen Tisch setzen, sind bald einmal verschrieen, und das sollte man gerade als Einwanderer tunlichst vermeiden.

Das kleine Bier

Es gibt auch hier grosse und kleine Flaschen Bier. Mika war wie oft am Herumalbern mit Stammgästen, als ihm vom Nebentisch einer zuruft: “Mika, eine kleine Flasche Bier!”. Mika beendet erst mal seine Geschichte und begibt sich dann gemächlich zur Theke und kommt mit einer grossen Flasche Bier zurück. “Aber Mika, ich habe eine kleine Flasche bestellt!”. “Kein Problem”, sagt Mika, greift sich sein Glas und schenkt sich ein, stellt die angebrochene Flasche hin und sagt: “Jetzt hast du eine kleine Flasche Bier!”



Wenn er da ist, kommt Stimmung auf (Bild: Eduard Meister)

Keine Hilfe nötig vom Freund und Helfer?

Eines abends ist Mika bei Freunden eingeladen, die auf der andern Seite der Stadt wohnen. Er setzt sich in den Wagen und fährt abends hin. Sie essen und trinken bis in die frühen Morgenstunden. Als er um halb drei die Rückreise antritt, kommt er an einer Polizeikontrolle vorbei. Aber die beiden Beamten machen keine Anstände, ihn aufzuhalten. Glück gehabt, würde jeder von uns denken. Nicht so Mika. Fünfzig Meter weiter hält Mika an, legt den Rückwärtsgang ein und fährt zu den Beamten zurück, kurbelt das Fenster runter und sagt lallend: “Hei was macht ihr Arschgesichter um diese Zeit noch auf der Strasse?” Der eine Beamte zu ihm: “Aber Mika, du bist ja betrunken, fahr nach Hause, wir haben Dich nicht gesehen!”. Mika: “Was glaubt ihr eigentlich? Hier bestimme ich immer noch selbst, wann ich nach Hause gehe!” Während die Beamten ihn zu beschwichtigen versuchen, kommt zufälligerweise einer ihrer Vorgesetzten dazu, und nun müssen die Beamten wohl oder übel andere Saiten aufziehen. Mika muss blasen und der Test fällt mit 2,3 Promille recht eindeutig aus. Mika gibt auf der Stelle seine Fahrerlaubnis für 2 Monate ab und muss umgerechnet 150 Franken - fast einen halben Monatslohn - Busse bezahlen.

Nachdem er mir die Geschichte erzählt hatte, meine er: “Du musst mich einen Moment entschuldigen, ich muss nur schnell meinen Cousin nach Hause fahren, ich komme gleich zurück”. Ich, ganz verwundert: “Aber Du hast mir doch jetzt selbst erzählt, dass sie dir die Fahrerlaubnis entzogen haben!” - “Na und? Habe ich deswegen das Fahren verlernt?”

14.04.2009

Heimweh?

2006 bat mich der frühere Arbeitgeber, für ein grösseres Neuprojekt für ein halbes Jahr nochmals in die Firma zu kommen. Wir wurden uns einig, und so reiste ich denn mit meinem Wagen - mit serbischen Kontrollschildern - in die Schweiz.



Eine Autonummer, die schnell Vorurteile weckt (Bild: Eduard Meister)

Heimweh abgebaut bei so vielen Vorurteilen

Wenn ich früher Heimwehgefühle hatte, so wurden diese jetzt durch die Konfrontation mit Vorurteilen und teils polemischen Äusserungen stetig abgebaut.

Das begann schon an der Schweizergrenze in Chiasso. Lässig standen die Zöllner da und winkten Wagen um Wagen zügig durch bis… richtig: die serbische Nummer auftauchte. Rausfahren, Grosskontrolle. Der Zöllner behändigte Pass, Fahrerlaubnis, Kraftfahrzeugschein und begab sich ins Büro zum Computer. Man konnte fast seine Gedanken lesen: Warum wohnt ein Schweizer in Serbien wenn er nicht wegen illegalen Machenschaften in einen rechtsfreien Raum abgetaucht ist? Es gab aber nichts zu finden, alles war in Ordnung, und widerwillig gab er mir nach 20 Minuten Wartezeit meine Papiere zurück. Vor lauter Eifer über einen möglichen grossen Fischzug vergass er, nach irgendwelchen Waren zu fragen und liess mich fahren.

Filmreife Kontrolle

Dann gibt es ja noch die periodischen Polizeikontrollen, welche im Aargau besonders häufig sind, an denen ich natürlich nie unkontrolliert vorbeikam. Die Anrede der Beamten „sprechen Sie deutsch?” statt einem „grüetzi oder „guten Tag” kannte ich auch schon zur Genüge.

Eines Tages fuhr ich durch ein Waldstück zwischen Brugg und Villnachern, eine Strecke die sonst nur Ortskundigen bekannt ist und kreuzte einen Kleinbus des Grenzwachkorps. Jetzt lief alles kinoreif ab. Der Bus stoppte, drehte um, das Blaulicht wurde eingeschaltet zusammen mit der roten Hinweistafel „STOP”. Ich fuhr zügig weiter über zwei Aarestege bis zu den ersten Häusern von Villnachern und hielt erst dort an. „Warum haben Sie nicht sofort angehalten?” Ich erwiderte ganz ruhig: „Ich zog es vor mich nicht mitten im Wald zwei bewaffneten Beamten ohne Zeugen zu stellen, da ich Eure Vorurteile kenne, hier kann mich wenigstens jemand hören wenn ich um Hilfe schreien muss!” Kommentarlos nahm er die verlangten Papiere an sich ging zum Funk um alles zu überprüfen während sein Kollege mich zum Alkoholtest aufforderte. Weder das eine noch das andere ergab Anhaltspunkte für ein Vergehen, also wurde ich mit den Worten „Aber das nächste Mal halten Sie sofort an!” verabschiedet.

Nach Hause

Ich hatte über dreissig Jahre in Brugg gelebt, und da lernt man doch einige Leute kennen, auch solche, die man bei verschiedenen Gelegenheiten praktisch jede Woche trifft und eigentlich recht gut zu kennen glaubt. So einem begegnete ich nach drei Jahren wieder zum erstenmal in der Stadt und habe ihm fröhlich zugerufen. Er erkannte mich auch sofort und sagte: „Aha, auch wieder mal im Land! Wie geht es?”. Er machte nicht einmal Anstalten stehen zu bleiben und erwartete demzufolge auch nicht wirklich eine Antwort. Das hat mir ziemlich zu denken gegeben.

Ich war nach Ablauf des halben Jahres heil froh, wieder nach Hause fahren zu dürfen, und das ist doch bedenklich, sowas sagen zu müssen.

16.04.2009

Spuren der Geschichte

Serbien ist reich an Geschichte und Monumenten. In unserer Umgebung gibt es gleich eine ganze Reihe dieser steingewordenen Spuren und Narben der Geschichte.

Königsgrab unter Marmor: Topola - Oplenac

25 km südwestlich von uns liegt Topola mit dem Berg Oplenac. Hier steht in weissem Marmor erbaut die Kirche des heiligen St. Georg mit dem Mausoleum des serbischen Königshauses. In der Katakombe der Kirche, in welcher 26 Mitglieder der Dynastie Karadorde beigesetzt sind, sind alle Wände mit wertvollen Mosaiks überzogen. Kronprinz Alexander II, Sohn des 1941 ins Exil geschickten serbischen Königs Peter II, lebt heute wieder im Königspalast in Belgrad und bemüht sich, die noch im Ausland bestatteten Familienmitglieder nach Oplenac zu überführen. Die ihm 1947 unter Tito aberkannte serbische Nationalität wurde ihm 2001 wieder zugestanden.



Kirche hl. St. Georg     Deckenmosaik           Katakombe   (Bilder: Eduard Meister)

Monument aus Beton für Partisanen: Mladenovac - Kosmaj

In der Nähe der Stadt Mladenovac, 30 km westlich von uns, liegt der Kosmaj, ein 600 Meter hoher, waldbedeckter Berg. Den mittleren seiner Gipfel krönt ein weithin sichtbares Denkmal aus hochgeschweiften Beton-Armen. Es erinnert an die erste Kosmaj-Brigade der Partisanen, die am 2. Juli 1941 von Koca Popovic (1908–1992) zur Bekämpfung der deutschen Besatzungsmacht gegründet wurde. Und es mahnt an die Opfer für die Befreiung Jugoslawiens.



Denkmal zu Ehren der Partisanen-Brigade auf dem Kosmaj (Bilder: Eduard Meister)

Denkmäler für Wehrmachtsopfer: Kragujevac - Šumarice

Die Stadt Kragujevac, die auch die erste Hauptstadt Serbiens der neueren Geschichte war, liegt 40 km südlich von uns. Im Nationalpark Šumarice stehen ein Museum und diverse Denkmäler für die von der deutschen Wehrmacht bei Massenerschiessungen getöteten Kinder und Lehrer der Schule. Hier waren in einem Dorf in der Nähe der Stadt bei einem Gefecht mit Partisanen 10 Wehrmachtssoldaten getötet und 26 verwundet worden. Buchhalterisch genau wurde jeder tote Deutsche mit 100 toten Gegnern vergolten, ein Verletzter wurde mit 50 Leben aufgewogen. Die deutschen Soldaten trieben wahllos serbische Zivilisten zusammen und erschossen am 21. Oktober 1941 in der Nähe der Stadt 2300 Menschen, darunter 300 Schüler und 18 Lehrer des örtlichen Gymnasiums. Noch heute ist es deutschen Touristen beim Besuch von Kragujevac zu empfehlen, sich nicht auffällig zu benehmen, um nicht in irgendwelche Feindseligkeiten verwickelt zu werden.



Erinnerung an das Kragujevac-Massaker der Wehrmacht (Bilder: Eduard Meister).

19.04.2009

Luxusinvestition

Als feststand, dass ich ein halbes Jahr in der Schweiz arbeiten würde (siehe früheren Beitrag), haben wir uns entschlossen, das unerwartete Zusatzeinkommen in ein Schwimmbad zu investieren.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen

Daher habe ich schon zwei Monate vor der Abreise eine Equipe zusammengetrommelt, welche gewillt war, in Handarbeit 30 Kubikmeter Erde auszubuddeln und diese zwischen Wohnhaus und Hilfsgebäude aufzufüllen. Warum Handarbeit? Erstens kommt das hier billiger, zweitens haben wir ja Zeit, und drittens habe ich mit dem Hundezwinger ein Eigentor geschossen, denn auch der kleinste Bagger wäre dort nicht mehr vorbeigekommen. Ich wollte einfach mal einen Aushub vorsehen, ohne bereits zu wissen, wie das Schwimmbad genau aussehen würde. Dafür hatte ich ja im kommenden Frühjahr noch Zeit. Ich wollte das Landstück zwischen den beiden Gebäuden so oder so planiert haben, und da kam mir der Aushub gerade gelegen.



Wer andern eine Grube gräbt… (Bild: Eduard Meister)

Ich hätte gerne ein Schwimmbad, bitte

Als ich dann im Frühjahr wieder zu Hause war, ging die Suche nach Schwimmbädern los, was nicht ganz einfach war. Obschon bei unserem Klima ein kühlendes Nass eigentlich fast ein Muss ist, gilt das beim hiesigen Lebensstandard als Luxus. Wir fanden in der näheren Umgebung kaum Privatschwimmbecken, und wenn überhaupt, waren es einfache Ausführungen ohne Filteranlagen. Beiläufig erinnerten wir uns daran, dass unser Zahnarzt in Belgrad einen Swimmingpool besitzt, und so kamen wir an die Adresse einer Firma, welche solche Bäder baut. Wir fuhren also dorthin, um uns umzusehen und beraten zu lassen.

Der faszinierte Bade-Meister

Mich faszinierte von Anfang an ein deutsches Produkt, dessen Generalimporteur er war. Dieses besitzt eine Stahlwand, ist rechteckig mit je einem Halbkreis an den Stirnseiten. Es benötigt lediglich längsseits je eine Stützmauer und am Boden eine massive Betondecke. Das Ganze wird dann mit einem speziell dicken blauen Kunststoff ausgekleidet, so dass auch der periodische Farbanstrich entfällt. Im Preis inbegriffen war die komplette Filteranlage mit einem 80kg Quarzsandfilter, Umwälzpumpe, Chromstahleinstiegsleiter, 2 Unterwasserstrahler mit je 300W Leistung und 5 Jahre Garantie. Ich liess mir die Baupläne geben, machte eine Anzahlung und begab mich auf die Suche nach Handwerkern, denn jetzt musste das bestehende Loch noch etwas vertieft und um die Halbkreise erweitert werden, alles ganau nach Bauplan. Stützmauern, Betonboden und Schacht für die Filteranlage sowie Stromzufuhr mit eigenem Sicherungskasten mussten auch noch eingeplant werden.



…fällt selbst hinein - hier wenigstens noch auf nassen Beton (Bild: Eduard Meister)

Jetzt ging alles Schlag auf Schlag. Vom 13. Juni 2007 an korrigierten wir den Aushub, am 16. Juni war der Filterschacht ausgehoben und mit Ziegel ausgekleidet und die Betonarbeiten konnten beginnen (Bild oben). Am 20. Juni rückte die Montageequipe an und montierte alles in zwei Tagen.



Immer noch zu früh für einen Sprung ins kühle Nass (Bild: Eduard Meister)

Früher glücklich, jetzt überglücklich

Während der Pool innen mit Wasser gefüllt wurde, musste gleichzeitig aussen zwischen Stahlwand und Erdloch mit Magerbeton aufgefüllt werden, so dass sich die Kräfte stets ausglichen. Dank meiner leistungsfähigen Wasserpumpe im eigenen Brunnen war der Pool in 40 Stunden gefüllt - es sind immerhin 40'000 Liter Wasser. Schon ab Juli war dann der Pool betriebsbereit. Die Umgebungsarbeiten verschoben wir auf den Herbst. Aber mittlerweile ist alles abgeschlossen und der Pool erfreut sich grosser Beliebtheit bei Nachbaren, Bekannten und Besuchern aus der Schweiz. Früher war ich glücklich mit meiner Villa und jetzt bin ich überglücklich in meinem Paradies. Die Luxusinvestition erwies sich als die beste Idee meines Lebens.



Schwimmen Tag und Nacht - was für eine Pracht (Bild: Eduard Meister)

21.04.2009

Was in Grossmutters Kopf steckt

Fast nur Einheimischen bekannt sind die Höhlen, von denen mein heutiger Bericht handelt. Wenn man von uns aus über Svilajnac – Despotovac ca. 70 km nach Osten fährt, kommt man ins hügelige Gebiet der Karpatenausläufer, zum Kalksteinmassiv Babina Glava (wörtlich übersetzt Grossmutters Kopf).

Tropfsteinhöhlen nicht nur in Slowenien

Dieses beherbergt eine der schönsten Höhlen Serbiens, welche den weit berühmteren Höhlen von Postojna in Slowenien an Schönheit nicht nachstehen. Die Tropfsteinhöhle „Resavska Pecina“ ist ungefähr 45 Millionen Jahre alt und hat eine Gesamtlänge von zirka 4,5 km. Davon sind 800m auf zwei der drei bekannten Ebenen der Öffentlichkeit seit 1972 während den Sommermonaten zugänglich. Die Stalaktiten (die von der Decke herunterhängenden Tropfsteinzapfen) und auch ihre Gegenstücke, die Stalagmiten, wachsen durch Ablagerung von Calcit aus dem kohlensäurehaltigen Wasser, welches immer an der selben Stelle heruntertropft. Wenn Stalaktiten und Stalagmiten zusammenwachsen entstehen Stalagnate, sogenannte Tropfsteinsäulen. Es ist faszinierend zu sehen, was für tolle Kunstwerke die Natur auf diese Weise in Millionen von Jahren vollbracht hat.

Fotos aus der Unterwelt

Die Betreiberin muss die ganzen Unterhaltskosten aus den Eintrittsgeldern decken, weil der Staat dafür keine Subventionen locker macht. Daher sind die Führungen leider nur in serbischer Sprache und es gibt keine grossen Werbeaktionen dafür, so dass man schon fast von einem Geheimtip sprechen kann. Ich habe schon etliche meiner Besucher dort hin geführt, und es waren eigentlich immer alle begeistert. Genug der Worte, lassen wir die Bilder sprechen, denn im Gegensatz zu vielen anderen Höhlen gibt es hier kein Fotografierverbot.




Wo Stalaktiten und Stalagmiten zusammenwachsen (alle Bilder: Eduard Meister)

23.04.2009

Äpfel sind zum Trinken da,…

Es ist ein hier fest verwurzelter Brauch (obicaj), dass ein Gast mit einem hauseigenen Schnaps (domaca) begrüsst wird. Dem kann sich eigentlich niemand entziehen, weil er dadurch den Gastgeber beleidigen würde.

“Selber gekauft” wäre zu billig

Es ziemt sich nicht, irgend einen “Gekauften” anzubieten, daher war natürlich eine meiner ersten Fragen: Woher nehmen und nicht stehlen? Anwort: Es gibt genug Leute, welche brennen, dort kannst du den beziehen!

Haben denn soviele eine Brennlizenz? Schallendes Gelächter …bist du verrückt? Hier kann jeder für den Eigenbedarf soviel brennen wie er will und was er will. Und unter Hand verkauft ist hier noch lange nicht als kommerziell einzustufen. Das heisst also, ich kann auch selber brennen? Logo, du brauchst dazu bloss eine Brennanlage.

Selber gebrannt ist auch nicht billiger

Jetzt war mein Interesse geweckt! Schnell war ein im Dorf ansässiger Kupferschmied ausfindig gemacht, der bereit war, mir eine solche Anlage herzustellen. Nach bloss einem Monat war der 80 Liter grosse Brennhafen fertig. Zusammen mit dem 450 Liter fassenden Kühler fand er perfekt Platz im neuen Hilfsgebäude - Zufall?



Die eigene Brennerei (Bild Eduard Meister)

Apfelessig herstellen leicht gemacht

Da sich auf meinen Grundstück 35 Obstbäume befinden, die meisten davon Apfelbäume, lag es auf der Hand erst mal die Äpfel “sinnvoll” zu verwerten. Ich sammelte also brav alles zusammen, schnippselte alles schön klein in ein 200 Liter Fass und harrte der Dinge die da geschehen sollten.



Este Gehversuche bei der Obstverwertung (Bilder: Eduard Meister)

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Unser Konsum war für Jahrzehnte gedeckt, denn wer braucht schon 200 Liter Apfelessig? Also machte ich mich schlau und fand dann auch schon bald heraus, dass die Maische (der zu vergärende Obstbrei) unter Luftabschluss vergären, mit Schwefelsäure auf einen pH-Wert von max. 3,5 angesäuert, und zur Bevorzugung der zur Vergärung richtigen Bakterien spezielle Gärhefe zugegeben werden muss.

Vom Bade-Meister zum Brenn-Meister

Die Erfolge des steten Bemühens blieben nicht aus. Mein Apfelschnapps, das Zwetschgenwasser und auch mein erster Weichselkirsch erfreuen sich in der Zwischenzeit grosser Beliebtheit. Es gab aber auch in der Brenntechnik noch viele Details zu beachten. Viele Tips konnte ich von einem Schweizerischen Destilleriekleinbetrieb in Erfahrung bringen, denn ich nutzte meinen Aufenthalt in der Schweiz auch dazu, möglichst viele Erfahrungen auf dem Gebiet zu sammeln.



Stete Verbesserung dank Tipps aus Schweizer Brennereien (Bilder: Eduard Meister)

Die regulierbare Feuerung mittels Gas, die Kontrolle der Kesseltemperatur, die Abtrennung des Vorlaufes (Methylalkohol) und Absonderung des Nachlaufes zwecks Nachbearbeitung sind nur einige zu beachtende Dinge, welche zu einem befriedigenden Resultat führen.



Da sitz ich nun, ich armer Tor, und bin jetzt schlauer als zuvor - zum Wohl! (Bilder: Eduard Meister)

24.04.2009

Wenn Funker fliegen

Ich hoffe, den treuen Lesern meine neue Heimat und mein Pensioniertendasein etwas veranschaulicht zu haben. Mir war bewusst, dass wir Radioamateure durch die Faszination unseres Hobbies gerne dazu neigen, immer nur darüber zu reden, ohne zu bedenken, dass das für die Mehrheit der Leser ein Buch mit sieben Siegeln ist. Zudem ist das Thema ja auch nicht ortstypisch, denn gefunkt wird auf der ganzen Welt gleich. Daher habe ich dieses Thema bewusst ausgeklammert. Nun gibt es aber auch auf diesem Gebiet Erlebnisse, die nicht alltäglich sind. Daher schildere ich jetzt zum Abschied eine lustige Begebenheit.

YU9XMC hat überirdische Kontakte

Mein Radio steht oft stundenlang auf ein und der selben Frequenz, auf der ich regelmässigen als “YU9XMC” (früher als “HB9CKF”) Kontakt zu Schweizern in der ganzen Welt pflege. Ich arbeitete am Computer gerade an der Partitur eines Musikarrangements, ein weiteres meiner Hobbies, als aus dem Radio ein Radioamateur nach Schweizern rief. Ich ging zur Funkstation und antwortete. Es war ein Schweizer Flugkapitän in einem niederländischen Verkehrsflugzeug, welches sich auf dem Flug von Amsterdam auf die Kanaren gerade über der Biskaya befand. Auf meine Frage, ob er denn auch mal Serbien überfliegen würde, bejahte er dies, und wir kamen überein, dass er mir diesbezügliche Flugpläne per E-Mail zustellen würde. Damit war die Sache erst mal abgetan. Eines Tages lag tatsächlich eine Meldung im Postfach. Ich fieberte dem Ereignis entgegen und bereitete mich entsprechend vor. Vom Abhören des Flugfunkes wusste ich, dass die Flugrouten durch Wegpunkte (waypoints) beschrieben werden. Im Internet fand ich einen Zusatz zu GoogleEarth, der es erlaubt, weltweit alle wichtigen waypoints auf der Karte darzustellen.

Christbaum-Leuchten im Nachthimmel

Kurz vor Sonnenuntergang kommt auch pünktlich der Ruf des Kapitäns auf der Amateurfunkfrequenz. Am Abendhimmel kann ich seinen Kondensstreifen rund 60 km südlich von uns klar ausmachen. Wie das geht? Ganz einfach. Der Kapitän: “Jetzt kommt uns dann eine Maschine entgegen, Distanz 30 Meilen.” Genau, kann sie beide sehen. “Jetzt kreuzen wir.” Alles klar. Sein Flugziel liegt in der Südtürkei und er will am selben Abend wieder zurückfliegen. Also warte ich abends um neun auf den erneuten Kontakt. Und er kommt tatsächlich zustande. Stolz meldet der Kapitän: “Diesmal fliegen wir genau über dein Haus!” Die Spannung steigt. Noch 15 Meilen. “Du solltest mich jetzt bereits hören können, Flughöhe 11 km”. Es kommt Hektik auf, raus auf den Balkon, rein an die Funkstation, wieder raus… Mittlerweile ist auch meine Frau Milka auf das Treiben aufmerksam geworden und fiebert mit mir mit. Wir sehen bereits die Positionslichter und hören die Triebwerke. “Gut, ich schalte jetzt die Landescheinwerfer ein.” Ja, wir können es sehen, es sieht fantastisch aus. “Alles klar, ich fliege jetzt zur Begrüssung eine Rechtskurve!” Wir trauen unseren Augen nicht - eine Verkehrsmaschine, die über unserem Haus am nächtlichen Himmel mit eingeschaltetem “Christbaum” uns zu Ehren eine Kurve fliegt!



Grüsse aus Serbien (Bild: Eduard Meister)

So jetzt ist aber genug gequatscht. Es ist Zeit, dass auch andere zu Wort kommen, und so übergebe ich den Stafettenstab weiter an Hanspeter Zgraggen aus Nicaragua, den ich auf diesem Wege herzlich grüsse.

Fortsetzung - unveröffentlicht

Am 29.04.2009 fand ich folgenden Artikel in der "NOVOSTI"

DESPOTOVAC – Auf den Pfa­den in den Höhlen des reich­haltigen Un­ter­grundes im Kalk­stein­ge­bir­ge „Groß­mut­ters Kopf“, wurden auf den 800m der erforschten 4,5 km in der neu­­en Sai­son in den ersten 20 Ta­gen an die 3000 Besucher ver­zeichnet. Auch wenn es An­fang April kalt war, be­gann die Saison gut, und ge­wohn­heits­mäßig sind unsere häu­figsten Gäste Schul­klas­­sen. Griechen und Engländer wa­ren heuer die ersten aus­län­di­schen Gäs­te, al­lein am letzten Wo­chenende ver­­zeichneten wir 700 Gäste – sagte Gordana Mi­lošević , Di­rek­torin des öffen­tlichen Un­ter­nehmens „Re­sa­vsker Höh­len“, welche die ers­ten zwei Ta­ge Gast­geberin von Krister Brin­geus, des Schwe­di­schen Bot­schaf­ters in Belgrad, war. Gemäß Ankündigung, werden im Mai vie­le Gäste in den Höhlen sein, wel­che bemerken werden, dass auf die neuen Saison hin ei­ni­ges mo­dernisiert wurde, ein wahrer An­sturm erwartet man daher am Feiertag des 1. Mai:
- Dank Mitteln des Ministeriums für Wirt­schaft und regionale Entwicklung – Sektor Tourismus und Unterstützung der Bezirksverwaltung im Ge­samt­um­fang von 12 Millionen Dinar (ca. 200'000 CHF) konnte die unterirdische Beleuchtung erneuert werden, welche nun den Gästen einen wahren visuellen Genuß bietet, mit 16 Videokameras wird der Innenraum und Ein­gangs­be­reich erfaßt, neue Informationstafeln wurden angebracht und das Em­pfangs­ge­bäude vollständig umgestaltet, er­gänzt Direktorin Milošević. Wir sind glücklich wenn wir dadurch die letzt­jährige Zahl der Besucher von 45000 übertreffen können.

Übersetzung: Eduard Meister
Anmerkung: vielleicht ist jetzt auch Schluss mit freiem Fotografieren, wenn jetzt alles mit Videokameras überwacht wird ?